Tagungsbericht

Krebsregister als Instrument für Forschung, Patientenversorgung und Prävention
3. Workshop Krebsregister
5. / 6. März 2001
13. Informationstagung Tumordokumentation
6. / 7. März 2001

Auditorium maximum der Universität Erfurt

Inhalt

Einleitung

Vom 5. bis 7. März 2001 fanden in Erfurt der 3. Workshop Krebsregister und die 13. Informationstagung Tumordokumentation statt. Der Workshop behandelte vorrangig Themen epidemiologischer Krebsregistrierung, während die Informationstagung sich mit klinischer Krebsregistrierung befaßte. Da beide Registertypen enge Kooperationen anstreben oder bereits verwirklicht haben, wurden in gemeinsamen Sitzungen Fragen der Zusammenarbeit und gemeinsame methodische Fragen erörtert. Insgesamt konnten sowohl bezüglich epidemiologischer als auch klinischer Krebsregistrierung ermutigende Fortschritte gezeigt werden, die helfen können, Deutschland aus der in der Vergangenheit oftmals schlechten Datenlage herauszubringen.

Als Zeichen der Kooperationsbereitschaft wurde die Tagung von der Arbeitsgemeinschaft Bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland, der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren e.V. und der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. organisiert. Gastgeber waren das Tumorzentrum Erfurt e.V. in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische Informatik Gießen, das seit 15 Jahren dir Informationstagungen organisiert und übergreifende Dienstleistungen für klinische Krebsregister anbietet.

Die Abstracts der Vorträge und, soweit verfügbar, die Präsentationen sind im Internet unter
http://www.akkk.de/info/13/
einsehbar.

Krebsregister Workshop

In einem Übersichtsvortrag schilderte W. U. Batzler, Leiter des Epidemiologischen Krebsregisters Baden-Württemberg, Stuttgart und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland den Stand des Aufbaus der bevölkerungsbezogenen Krebsregister in den einzelnen Bundesländern. Positiv hervorzuheben ist die Tatsache, daß nach Auslaufen des Bundeskrebsregistergesetzes in allen Bundesländern eine unbefristete Gesetzgebung den Bestand der Landeskrebsregister sichert oder zumindest in Aussicht gestellt ist. Alle Bundesländer - außer Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen - sehen dabei auch eine vollständige Flächendeckung vor.

Das Erreichen vollzähliger Daten ist ein vorrangiges Ziel epidemiologischer Krebsregister. In den meisten Vorträgen, die sich mit diesem Thema befaßten, wurde daher die große Bedeutung der Beteiligung der Pathologen hervorgehoben. Die Anbindung der Pathologischen Institute an die bevölkerungsbezogenen Krebsregister wird dabei in den Ländern unterschiedlich gehandhabt, wobei bei den Verfahren immer im Vordergrund eine einfache Datenübermittlung steht.

Unabhängig von Melderecht oder Meldepflicht ist der Aufbau effektiver Meldestrukturen zudem stark vom Engagement der Register im Bereich von Fortbildungen und öffentlicher Information über die Arbeit der Register abhängig. Viele Register berichteten daher über entsprechende Maßnahmen, die die Meldebereitschaft der Ärzteschaft verstärken, aber auch bewirken sollen, daß Patienten bereit sind, an weiterführenden Studien zu Fragestellungen, die sich aus den Registerauswertungen ergeben, teilzunehmen. Gerade für solche Studien ist es wichtig, entsprechende bürokratische Hemmnisse, die in den ersten Gesetzesfassungen existieren, abzubauen. Die kryptographischen Verfahren zur Verhinderung des Mißbrauchs von Patientendaten haben sich offensichtlich grundsätzlich als praktikabel erwiesen, wenn gleich die Erfassung von Klartextangaben zu den Betroffenen vorzuziehen sind.

Im Spezialthema "Bronchialkarzinom" wurden die Ergebnisse aus unterschiedlichen Landesregistern präsentiert. Auch wenn Inzidenz und Mortalität von Land zu Land variieren, so zeigt sich dennoch in allen Daten der bedauerliche Trend zum Anstieg der Zahlen bei den Frauen.

Gemeinsame Themen

Das mittlerweile ausgelaufene Bundeskrebsrebsregistergesetz sah die Kooperation klinischer und epidemiologischer Krebsregister vor, um doppelte Meldewege und damit verbundene kontraproduktive Dokumentationsbelastung von Ärzten zu vermeiden. Dieses Modell hat sich in vielen Bundesländern als außerordentlich erfolgreich erweisen. Insbesondere das für die neuen Bundesländer und Berlin zuständige Gemeinsame Krebsregister in Berlin bezieht seine klinischen Meldedaten ganz überwiegend auf elektronischem Wege aus den klinischen Registern. Auf der anderen Seite müssen klinische Register einen hohen Aufwand betreiben, um die für Qualitätsmanagement notwendigen Follow-up Informationen zu erhalten.

Verschiedene Modelle existieren für den Abgleich der klinischen Register mit Meldeämtern. Was zulässig ist, wird wiederum durch die länderspezifischen Einstellungen der Datenschutzbeauftragten bestimmt, wodurch teilweise kostengünstige Lösungen verhindert werden. Der direkte Zugang zu Totenscheindaten ist klinischen Registern in der Regel nicht, epidemiologischen Registern jedoch gesetzlich möglich. In vielen Bundesländern ist daher die Übermittlung solcher Daten aus den epidemiologischen Registern an die klinischen Register gesichert, so daß insgesamt eine fruchtbare Kommunikation in beiden Richtungen etabliert ist.

Die neue Version 3 der ICD-O (ICD for Oncology) als eines der zentralen Klassifikationssysteme und die Lymphomklassifikation waren weitere Themen, die für beide Registertypen von großer Wichtigkeit sind.

Informationstagung Tumordokumentation

Am ersten Tag der Informationstagung standen Aspekte der Auswertungen von Daten aus klinischen Krebsregistern im Vordergrund. Eindrucksvoll konnten die Beiträge aus unterschiedlichen Registern belegen, daß klinische Register in der Lage sind, Variationen von Qualitätsparametern sowohl im Verlauf der Zeit als auch im Vergleich behandelnder Einrichtungen zu messen. Dabei konnte gezeigt werden, daß im Sinne eines Qualitätsmanagements von Normen abweichende Parameter zu einer Korrektur des Verhaltens mit meßbarer Verbesserung des Parameters führten. Allerdings setzen solche Verfahren auch eine entsprechende Bereitschaft der betreffenden Partner zur Teilnahme voraus. Zum Teil wurden die Ergebnisse im Rahmen von Feldstudien, die in den vergangenen Jahren vom Bundesgesundheitsministerium gefördert wurden, erreicht (Beiträge aus Halle, Jena, Stuttgart). Dies zeigt zum einen, daß die Register technisch und von der Qualifikation her in der Lage sind, diese Verfahren zu unterstützen; allerdings bedarf es für gezielte Fragestellungen eines Mehraufwandes, um die erforderliche Datenbasis zu schaffen, der mit der bisherigen Regelfinanzierung nicht zu erreichen ist.

Die Möglichkeiten klinischer Register wurden in der Vergangenheit vielfach unterschätzt, da die Auswertungsmöglichkeiten zu wenig bekannt waren. Mit der systematischen Rückübermittlung von Daten in Form von Statistiken und Jahresberichten befaßten sich Beiträge aus den Registern Brandenburgs und Münchens, die beide bereits einen hohen Erfassungsgrad von Tumorerkrankungen aufweisen.

Während für die meisten Patienten in den Registern eine allgemeine Tumorbasisdokumentation durchgeführt wird, benötigen wissenschaftliche Auswertungen, die sich mit spezifischen Fragestellungen der Diagnostik und Therapie spezieller Tumorentitäten befassen, eine genauere Erfassung. Damit die Ergebnisse solcher Untersuchungen auch international vergleichbar und Metaanalysen zugänglich sind, wird seit über einem Jahrzehnt die sogenannte "Organspezifische Tumordokumentation" entwickelt und mittlerweile in zweiter Auflage herausgegeben. Beiträge erörterten das Konzept und den konkreten Einsatz dieser Dokumentation. Dabei wird im Gegensatz zu früheren Versionen der Umfang der Organspezifischen Dokumentation genauer gemäß dem angestrebten Ziel (Diagnosestudie, Prognosestudie, Therapiestudie etc.) differenziert. In einem Beitrag aus dem Erlanger Register wurde anhand eines Vorschlags zur Unterteilung des UICC-Stadiums III beim kolorektalen Karzinom deutlich gemacht, daß bereits der Umfang der Basisdokumentation ausreichen kann, um klinisch bedeutsame Unterscheidungen treffen zu können.

Am letzten Tag wurden überwiegend praktische Aspekte von Dienstleistungen klinischer Register sowie moderne Datenverarbeitungskonzepte erörtert.

Das Informationsmanagement spielt eine Schlüsselrolle in der multidisziplinären Behandlung von Tumorerkrankungen. Hier setzen die Register mit entsprechenden Dienstleistungen an, um den Informationsfluß zwischen den Behandlern zu unterstützen. Eine wichtige Rolle spielen interdisziplinäre Konsile, deren Vorbereitung und Durchführung teilweise mit internet-basierten Methoden unterstützt wird. Durch die direkte Beteiligung der Register sind die dort getroffenen Entscheidungen langfristig verfügbar, so daß der individuelle Behandlungsprozeß zum Beispiel bezüglich Konformität zu Leitlinien oder begründeter Abweichung nachvollzogen werden kann. Die Integration der Tumordokumentation in die Routine, die unter anderem auch durch automatisierte Arztbriefschreibung gefördert wird, ermöglicht ein direkten Rücklauf der Daten in den Behandlungsprozeß, was wiederum der Akzeptanz und der Qualität der Daten dient. Mehrere Beiträge befaßten sich mit Internet/Intranet-basierten Konzepten, mit denen die Tumordokumentation und deren Funktionen noch einfacher an den Arbeitsplatz des Arztes gebracht werden soll. Dabei wurde lebhaft diskutiert, wie vereinfachend eine Dokumentation sein darf, um noch einen Beitrag zum angestrebten Qualitätsmanagement liefern zu können.

Podiumsdiskussion

Kritische Bemerkungen des Präsidenten der Deutschen Krebsgesellschaft und des Krebskongresses im Jahre 2000, Professor L. Weißbach, Berlin, zur Arbeit der Tumorzentren aber auch zum teilweise mangelnden Qualitätsbewußtsein der Ärzteschaft hatten im vergangenen Jahr dazu geführt, daß die Rolle der Tumorzentren und der Krebsregister in mehreren Tagungen und Symposien lebhaft diskutiert wurden.

In einer Podiumsdiskussion zum Thema "Perspektiven Klinischer Krebsregister" wurde ausgehend von dieser Kritik die Arbeit der Register unter den Aspekten Notwendigkeit, Finanzierung, Therapieunterstützung und Nachsorge erörtert.

Professor J. Dudeck, Gießen, führte mit 5 Thesen in die Thematik ein, in denen zunächst die Bedeutung der Register für die Versorgung von Krebspatienten, also die klinisch integrierte Dokumentation als vorrangiges Ziel dargestellt wurde. Bei Erreichen dieses Idealzustandes seien die anderen Zwecke, epidemiologische Registrierung, Qualitätssicherung und Forschung ableitbar.

Ausgehend von der Forderung, das an bestimmten Qualitätskriterien gemessene Führen eines klinischen Krebsregisters zu einem zentralen Element bei der Zertifizierung von Tumorzentren zu machen, stellte Professor Weißbach das Ergebnis einer Adhoc-Umfrage bei den Tumorzentren zu diesem Thema vor. Dabei wurde deutlich, daß der Bekanntheitsgrad der Register, obwohl im weitaus überwiegenden Fall vorhanden, bei den Klinikern (exemplarisch waren Urologen befragt worden) in hohem Maß unterschiedlich war. Darüber hinaus wurde von einem Teil der Kliniker auch die Leistungsfähigkeit der Register in Frage gestellt. Mit der Beliebigkeit des Führens von Registern und der Beteiligung der Ärzte daran müsse gerade unter dem Aspekt der Qualitätssicherung Schluß sein und der Erfolg müsse an den Ergebnissen und nicht an den Idealvorstellungen gemessen werden.

Über diese Anforderungen bestand grundsätzlich Konsens. Unterschiedliche Auffassungen gab es in der Frage, inwieweit für das Durchsetzen dieser Forderungen zentralistische Lösungen und Lösungen mit reduzierten Datensätzen (Kerndokumentation vs. Basisdokumentation?) notwendig sind.

Professor H. Sauer, München, vertrat als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren das Thema der Finanzierung der Register, das sich nach Auslaufen des Modellprogramms zur besseren Versorgung von Krebspatienten der Bundesregierung verstärkt stellt. Hier sei ein Umdenken in Richtung verstärkter Refinanzierung der Register über die tatsächlich erbrachten Leistungen im Gegensatz zur bisher eher praktizierten institutionellen Finanzierung erforderlich.

Professor H. Kunath, Dresden, betonte in seinem Statement die Notwendigkeit der langfristigen Verfolgung von Tumorverläufen zum Beispiel im Rahmen der Nachsorge, die in der für Qualitätssicherung geforderten Breite nur durch klinische Register geleistet werden könne.

Dr. med. U. Gabb, Zwickau, hob unter anderem die Dienstleistungen der Register zur Unterstützung der Therapie hervor und nannte dabei die auch im Verlauf der Tagung teilweise präsentierten Funktionen zur Informationsvermittlung im Rahmen der multidisziplinären Betreuung, die Vernetzung von Planungsfunktionen und Dokumentation, z.B. für Chemotherapien, und die Vorteile, die sich aus dem Zugriff auf vorhandene Daten für die Arztbriefschreibung und die Fortschreibung der Krankengeschichte ergeben.

Für die klinischen Krebsregister ergaben sich als Zusammenfassung der Diskussion folgende Perspektiven und Forderungen: