Prozeß- und Outcome-orientierte Tumordokumentation: Patient Care Evaluation Studies

S. Hölzer, A.G. Tafazzoli, U. Altmann, W. Wächter, J. Dudeck
Institut für Medizinische Informatik der Justus-Liebig-Universität Gießen

Bei den Patient Care Evaluation Studies (PCES) handelt es sich um eine externe Qualtitätssicherungsmaßnahme im Bereich der Onkologie. Das Studienkonzept stellt reale und klinisch relevante Daten der Patientenversorgung bzgl. Diagnostik, Therapie und Nachsorge einer Tumorerkrankung bereit. Die Art der organspezifischen Dokumentation und Aktualität erlaubt es, ärztliche Handlungsweisen mit den idealisierten Empfehlungen und etablierten Standards (Leitlinien) vergleichen zu können. Gleichzeitig wird mit der parallelen Durchführung der Pilotstudie zum Schilddrüsenkarzinom seit 1996 in den USA und Deutschland ein internationaler Vergleich der Patientenversorgung ermöglicht. Über das Konzept wurde auf früheren Informationstagungen berichtet.

Es konnte gezeigt werden, daß es eindeutige Unterschiede in der Diagnostik als auch der Therapie bei der Behandlung von Patienten mit Schilddrüsenkarzinomen in den Vereinigten Staaten und Deutschland gibt. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, daß die Empfehlungen von derzeit gültigen Leitlinien in der klinischen Routine oftmals nicht eingehalten werden. So werden beispielsweise Patienten, welche in frühen und prognostisch günstigen Tumorstadien diagnostiziert wurden oder Patienten mit undifferenzierten Karzinomen einer Radiojodtherapie zugeführt, die keinen günstigen Einfluß auf den Krankheitsverlauf nehmen kann. An dieser Stelle sei erwähnt, daß es allgemein leichter ist aus den vorhandenen Daten die Patienten zu identifizieren, welche nach den Inhalten von Therapieleitlinien übertherapiert sind, als diejenigen Patienten, bei denen eine zusätzliche therapeutische Modalität indiziert gewesen wäre. Dies kommt dadurch zustande, daß Intentionen und Denkweisen der behandelnden Ärzte (Kenntnis über mögliche Kontraindikationen gegen eine Therapieoption, Berücksichtigung von speziellen Wünschen des Patienten etc.) durch die Dokumentation nicht erfaßt werden, was zu Fehlinterpretationen führen kann. Die Probleme einer möglichst objektiven Darstellung von klinischen Abläufen (Evaluation der Prozeßqualität) durch eine effiziente Dokumentation sind vielfältig. Es zeigt sich weiterhin, daß in hohem Maße zeitlichen Zusammenhängen Rechnung getragen werden muß. So sind Beginn und Ende einer bestimmten Intervention klar festzuhalten, damit Informationen darüber vorhanden sind, ob der Patient z.B. unter der Therapie verstorben ist, die Behandlung damit nicht korrekt beendet wurde oder evtl. zum Tod des Patienten beigetragen hat.

Im Rahmen der Studie wird nun versucht über eine längerfristige Verlaufsbeobachtung zu klären, inwieweit sich Variationen bezüglich vorhandener Strukturen und Prozesse, sowohl auf internationaler Ebene (zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland) als auch auf nationaler Ebene (zwischen den beteiligten medizinischen Einrichtungen) auf die im eigentlichen Sinne interessierende Bezugsgröße, das Outcome der Patienten, auswirken. Mit den Patient Care Evaluation Studies steht ein Werkzeug zur Verfügung, die Patientenversorgung in der Onkologie umfassend zu beurteilen. Während kontrollierte klinische Studien versuchen, den Wirksamkeitsnachweis einer Maßnahme für eine bestimmte Patientenpopulation zu führen, werden mit dieser Studienform medizinische Maßnahmen unter Realbedingungen, d.h. der klinischen Routine, untersucht. Damit tragen sie dazu bei, die Umsetzung evidenz-basierter Medizin zu kontrollieren und deren Eingang in die klinische Routine zu fördern.