Erfahrungen und Probleme einer vergleichenden Qualitätsbewertung
der onkologischen Versorgung aus epidemiologisch-methodischer Sicht

Haerting, J., Blankenburg, Th., Schütte, W., Neef, H. für die Halluca-Projektgruppe
am Tumorzentrum der Medizinischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg

In der Halleschen Feldstudie zur Evaluierung der Qualität der onkologischen Versorgung von Patienten mit Bronchialkarzinom der Wohnbevölkerung der Regierungsbezirke Halle und Dessau des Landes Sachsen-Anhalt (Halluca) werden seit April 1996 inzidente Patienten mit Bronchialkarzinom der Region in einem versorgungsepidemiologischen Ansatz rekrutiert und im Verlauf mit ärztlichen und Lebensqualitäts-Erhebungsinstrumenten dokumentiert. Die vorgestellten Auswertungen beziehen sich auf einen 2-Jahres-Rekrutierungszeitraum mit insgesamt 730 in die Studie einbezogenen, inzidenten Patienten.

Eine vergleichende Evaluation der Versorgungsqualität erfordert die populationsbezogene Erfassung aller inzidenten Karzinompatienten. Regionale Unterschiede in den Rekrutierungsraten, gemessen an der erwarteten Inzidenz aus Zahlen des DDR-Krebsregisters 1988, werden diskutiert und mittels Regressionsmodellen aus den erklärenden Variablen Alter, Geschlecht, histologischer Typ und Stadium beschrieben. Dabei werden regional wirkende Selektionsmechanismen in der Rekrutierung deutlich.

Neben regionalen Vergleichen erwecken einrichtungsbezogene Vergleiche in der externen Qualitätssicherung besonderes Interesse. Aus epidemiologisch-methodischer Sicht werden die dabei auftretenden Probleme diskutiert. Voraussetzung ist eine externe und über verschiedene Quellen validierte populationsbezogene Erfassung des Patientengutes. Neben regionalen Unterschieden in den Rekrutierungsraten sind eine Vielzahl von Selektionsmechanismen beim externen Vergleich zwischen Versorgungseinrichtungen zu berücksichtigen. Besonders zu nennen sind unterschiedliche Einzugsgebiete und Zuweisungswege, die Einbeziehung der Patienten in Therapiestudien, unterschiedliche Interpretationen der Therapieindikation sowie die als Casemix bezeichnete unterschiedliche Zusammensetzung des Patientengutes hinsichtlich wesentlicher prognostischer Faktoren.

Am Beispiel der Häufigkeit des Einsatzes der Chemotherapie als Primärtherapie im Vergleich zwischen den vier großen onkologisch-pulmologisch-internistischen stationären Einrichtungen der Region wird ein solcher Vergleich durchgeführt. Eine durchgeführte Chemotherapie wird hier als Primärtherapie bezeichnet, wenn sie als erste Therapie innerhalb von 28 Tagen nach Diagnosestellung begonnen wurde. Der Anteil der Patienten mit primärer Chemotherapie im gesamten Patientengut der Einrichtungen der Region schwankt im Beobachtungszeitraum zwischen 10 % und 53 %. Mittels Regressionsmodellen wird versucht, diese Unterschiede aus dem Casemix hinsichtlich prognostischer Faktoren zu erklären. Als erklärende Variable kommen histologischer Typ, Stadium, Alter und klinischer Leistungszustand (ECOG resp. Karnofsky-Index) in Betracht.

Verbleibende Unterschiede in den Chemotherapieraten sind auf die unzureichende Erklärungskraft der Modelle bzw. der ihnen zugrunde liegenden prognostischen Faktoren, auf Unterschiede in der ärztlichen Therapieentscheidung oder auf Zufallseffekte zurückzuführen.

Vergleichende Qualtiätsbewertung zwischen Versorgungseinrichtungen unterliegt allen methodischen Schwierigkeiten von Beobachtungsstudien mit einer Vielzahl von unkontrolliert wirkenden Selektionsmechanismen. Eine Adjustierung bezüglich des Casemix des Patientengutes muss notwendigerweise unvollständig bleiben. Die Interpretation der Ergebnisse von Qualitätssicherungsstudien erfordert daher detaillierte Kenntnisse der regionalen Versorgungsstrukturen.

Prof. Dr. J. Haerting
Institut für Medizinische Epidemiologie,
Biometrie und Medizinische Informatik
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
06097 Halle (Saale)
Email: johannes.haerting@medizin.uni-halle.de