Meldepflicht versus Melderecht

Dr. med. Bettina Eisinger

Das Gemeinsame Krebsregister der Neuen Bundesländer und Berlin arbeitet seit 1995 auf der Basis des Gesetzes über Krebsregister (Krebsregistergesetz-KRG). Dieses Bundesgesetz legt fest, das in allen Ländern epidemiologische Krebsregister einzurichten sind. Hinsichtlich des Meldemodus gibt es das Melderecht des Arztes mit Informationsverpflichtung des Patienten durch den Arzt vor. Der Patient hat ein Widerspruchsrecht.

Bei der Umsetzung des Krebsregistergesetzes läßt der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum, der den Ländern u.a. die Festlegung des Meldemodus einräumt. Daraus resultierend und basierend auf der Tatsache, dass in verschiedenen Bundesländern eine eigene Ländergesetzgebung bezüglich der epidemiologischen Krebsregister existiert, haben wir in Deutschland ein sehr heterogenes Meldesystem.

Im Einzugsgebiet des Gemeinsamen Krebsregisters erfolgte die Registrierung von 1953 bis 1989 auf der Basis der gesetzlichen Meldepflicht in der DDR mit einer Datenvollständigkeit von über 90%. Nach 1989 wurde das GKR von den beteiligten Ländern zunächst auf der Basis der Einverständniserklärung weitergeführt, wobei der Freistaat Sachsen seit 1993 die Meldepflicht gesetzlich geregelt hat. Zum 1.7.1998 führte Mecklenburg-Vorpommern die Meldepflicht ein, in Sachsen-Anhalt ist dies in der Diskussion.

Eine Meldepflicht gibt es auch im 1997 eingerichteten Krebsregister Schleswig-Holstein.

Verglichen wurden verschiedene Krebsregister hinsichtlich der Datenvollständigkeit in Abhängigkeit vom Meldemodus. So erreicht Sachsen eine Vollständigkeit von etwa 80% mit der Meldepflicht, Brandenburg kommt mit dem Melderecht auf vergleichbar gute Ergebnisse. Das Register im Saarland erzielt über einen langen Zeitraum mit dem Melderecht ohne Informationsverpflichtung einen Vollständigkeitsgrad von über 90%.

Bei der Gegenüberstellung und Bewertung der Vor- und Nachteile sind jedoch naturgemäß die verschiedensten Einflußgrößen zu beachten, die sich je nach Ausprägung günstig oder ungünstig auf die Vollständigkeit auswirken können:

Dauer der Existenz bzw. der Registrierung, Größe des Einzugsgebietes, Möglichkeiten der Nutzung der Daten und damit der Akzeptanz des Registers, Vergütung von Meldungen, Struktur der Meldewege, gesetzliche oder datenschutzrechtliche Besonderheiten etc.

Nicht die Entscheidung pro oder kontra Meldepflicht allein, sondern die generelle gesetzliche Basis ist das Entscheidende bei der Krebsmeldung und - registrierung. Ein Beispiel dafür liefert das Gemeinsame Krebsregister mit dem Melderückgang zu Beginn der 90er Jahre, was auf das Fehlen eines Gesetzes und damit einhergehenden Unsicherheiten bezüglich einer Krebsmeldung bei den Ärzten und auch bei den Betroffenen zurückzuführen war. Erst seit Inkrafttreten des Krebsregistergesetzes 1995 ist wieder eine deutlich steigende Meldetätigkeit zu verzeichnen, die nicht zwingend mit dem Meldemodus korreliert ist. Erst im Zusammenspiel der verschiedensten Faktoren wird das Ergebnis einer hohen Datenvollständigkeit eines epidemiologischen Krebsregisters zu erzielen sein. Die Daten dann in die wissenschaftliche Forschung einzubringen, ist Hauptaufgabe eines Registers und führt mit zunehmender Akzeptanz bei den meldenden Ärzten zum positiven Circulus vitiosus.

Dr. med. Bettina Eisinger
Gemeinsames Krebsregister der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern,
Sachsen-Anhalt und der Freistaaten Sachsen
und Thüringen (GKR)
- Registerstelle -
Brodauerstr. 16-22
12621 Berlin